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Neurologie-Studie: Forschende suchen nach Wegen für frühe Parkinson-Therapie

Forschung

Ein gestörter Traumschlaf kann auf eine spätere Parkinson-Erkrankung hinweisen.

Wollen die Schlafstörung bei Parkinson-Betroffenen nachweisen und der Frühphase der Erkrankung auf die Spur kommen: die MHH-Neurologen Dr. Matthias Höllerhage (links) und Dr. Martin Klietz mit dem mobilen Gerät für die Video-Polysomnografie. Copyright: Karin Kaiser / MHH

Die Parkinson-Krankheit ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung und betrifft in Deutschland nach aktuellen Schätzungen mehr als 400.000 Menschen. Ursache ist ein fehlgefaltetes Protein namens Alpha-Synuclein, das verklumpt und sich im Gehirn ablagert. Dadurch sterben Nervenzellen ab. Die typischen Symptome wie verlangsamte Bewegungen, Muskelsteifheit oder Zittern treten meist erst viele Jahre später auf, wenn das Gehirn bereits unwiderruflich geschädigt ist. Doch es gibt auch gesicherte Vorboten, die eine drohende Parkinson-Erkrankung anzeigen, lange bevor sich diese durch motorische Ausfälle bemerkbar macht. Dazu gehört eine typische Verhaltensstörung in der REM-Schlaf-Phase, in der auch die meisten Träume stattfinden. Forschende der Klinik für Neurologie mit klinischer Neurophysiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) wollen jetzt eine Studienkohorte von Betroffenen mit REM-Schlaf-Verhaltensstörung aufbauen, um die Vorphase der Parkinson-Erkrankung besser zu erforschen und neue Biomarker für eine frühzeitige Diagnose und Therapie zu finden.

Schlafstörung als sicheres Anzeichen für Parkinson-Risiko

Die REM-Schlaf-Phase ist unter anderem durch schnelle Augenbewegungen (rapid eye movement, REM) bei geschlossenen Lidern gekennzeichnet. Bei Gesunden ist die Skelettmuskulatur in dieser Phase entspannt. Menschen mit einer REM-Schlafverhaltensstörung (REM sleep behaviour disorder, RBD) zeigen dagegen Muskelaktivität von leichten Zuckungen bis hin zu lebhaften Bewegungen des ganzen Körpers, oft kombiniert mit Schreien oder Sprachäußerungen. „Wenn keine anderen Ursachen wie etwa Drogenkonsum oder die Einnahme bestimmter Medikamente vorliegen, entwickeln 80 bis 90 Prozent der Betroffenen innerhalb der nächsten zehn Jahre Parkinson oder eine parkinsonähnliche Erkrankung“, sagt Oberarzt Dr. Martin Klietz. Damit sei die Störung aktuell das sicherste klinische Anzeichen für ein bestehendes Parkinson-Risiko – und ein guter Ansatz für eine erfolgreiche Behandlung.

Diagnose mittels mobiler Schlafüberwachung

„Zu diesem frühen Zeitpunkt sind noch nicht so viele Nervenzellen zerstört worden“, erklärt der Neurologe. „Bislang setzen Therapien erst an, wenn die Patientinnen und Patienten motorische Auffälligkeiten zeigen. Dann ist aber bereits mindestens die Hälfte der Nervenzellen im Gehirn untergegangen.“ Klinische Studien mit Patienten in diesem Stadium seien daher erfolglos geblieben. Gemeinsam mit seinem Kollegen Oberarzt Dr. Matthias Höllerhage möchte der Mediziner nun einen anderen Ansatz verfolgen und Betroffene in der Vorphase identifizieren. Dafür laden die Neurologen Patientinnen und Patienten mit möglicher REM-Schlafverhaltensstörung zu einem Telefoninterview ein und nehmen zunächst deren Daten und Krankheitsgeschichte auf. Im nächsten Schritt überprüfen sie, ob es sich im Einzelfall tatsächlich um RBD handelt. Das geschieht mittels Schlafüberwachung per Video-Polysomnografie. Dabei werden im Schlaf Hirnströme sowie die Muskelanspannung über Elektroden erfasst und außerdem der Sauerstoffgehalt des Blutes und der Luftfluss gemessen. Bild- und Tonaufzeichnungen dokumentieren zudem, ob die Patienten schnarchen, sprechen oder sich bewegen. Weil das Messgerät mobil einsetzbar ist, müssen die Teilnehmenden für die Schlafüberwachung die Nacht nicht in der Klinik verbringen.

Nervenzellen vor dem Untergang retten

Deuten die Anzeichen auf RBD hin, sollen weitere Untersuchungen den Verdacht auf eine Parkinson-Vorphase stützen. Das geschieht durch MRT-Bildgebung des Kopfes und mit Hilfe von Untersuchungen des Nervenwassers auf Ablagerungen des fehlgefalteten Proteins Alpha-Synuclein. Die Probandinnen und Probanden profitieren neben der Aufklärung über ihren Gesundheitszustand auch unmittelbar von der Expertise der Klinik. „Wir sind das einzige Zentrum für Parkinson-Erkrankungen in der Region mit einem ausgewiesenen Schwerpunkt in der Versorgung von Patientinnen und Patienten in allen Krankheitsstadien und werden die Teilnehmenden auch weiterhin begleiten“, betont der Neurologe. Im Rahmen der Studie wollen die Forschenden Blutproben auf mögliche Biomarker untersuchen und die Daten und das Biomaterial in einer Biobank sammeln. „Wir möchten mit unserer Forschung an dem Punkt ankommen, wo wir wissen, wie die Nervenzellen zu retten sind“, stellt Dr. Höllerhage fest. Langfristig wollen die Neurologen dann in klinischen Studien Therapiemöglichkeiten überprüfen, um Patientinnen und Patienten in der Parkinson-Vorphase neuroprotektiv zu behandeln und die Nervenzellen im Gehirn vor dem Untergang zu bewahren. „Ziel ist, dass Parkinson in Zukunft gestoppt werden kann, bevor das Gehirn massiven Schaden nimmt“, erklärt Dr. Klietz.

Weitere Informationen über die Studie erhalten Interessierte über die E-Mail-Adresse RBD@mh-hannover.de.

Autor: Kirsten Pötzke